Test zu Ni No Kuni: Der Fluch der weißen Königin (2025)

Oliver hat seine Mutter verloren. Nur Momente, nachdem sie ihm das Leben rettete, nahm ein Herzinfarkt ihr das ihre und lässt den Jungen allein auf der Welt zurück. Lediglich eine von ihr gemachte Puppe bleibt ihm, mit der er sein Leid teilen kann. Als die ersten Tränen auf das Stofftier tropfen, erwacht es wie durch Zauberhand zum Leben und stellt sich als Tröpfchen vor, eine Fee aus Ni No Kuni. Diese Welt, die parallel zur unseren liegt, so lernt Oliver, ist in Gefahr. Und es ist sein Schicksal, sie zu retten.

So lautet die Kernhandlung der von vielen lange erwarteten Kollaboration von Level-5 und der Animationsschmiede Studio Ghibli, die seit ihrer Ankündigung weltweit die Herzen von Film-Fans und Spielern gleichermaßen höher schlagen lässt. Die Grundidee ist sehr klassisch und dürfte jedem bekannt vorkommen, der schon einmal ein Fantasybuch in die Hand genommen hat. Die Geschichte vom Waisenkind, das sich in einer fremden Welt wiederfindet, die von einer finsteren Macht überschattet wird, und nur von ihm gerettet werden kann, gehört wohl zu den beliebtesten Ideen des Genres und insgeheim dürften die Meisten sicherlich etwas mehr von dem Studio erwartet haben, das für erzählerische Perlen wie Prinzessin Mononoke und Mein Nachbar Totoro verantwortlich war. Trotz ihrer Einfachheit kann eine Geschichte dieser Art dennoch Potenzial besitzen, sofern die restlichen Elemente stimmen. Das trifft allerdings nur stellenweise auf Ni No Kuni zu, denn fast jede Licht- besitzt auch eine Schattenseite.

Test zu Ni No Kuni: Der Fluch der weißen Königin (1)

Das sehen wir bereits bei den Charakteren, die häufig vielmehr wie unfertige Skizzen wirken, die lediglich dazu da sind, die Handlung voranzutreiben, anstatt ausgearbeitete, vielschichtige Persönlichkeiten darzustellen. Die meisten wollen nie wirklich zum Leben erwachen, was sich leider schon bei Oliver feststellen lässt. Zwar ist es erfrischend, einen Helden zu sehen, der so herzensgut und rein ist, allerdings fehlt es ihm neben der kindlichen Naivität und dem Wunsch, allen zu helfen, an Individualität. Diese Blässe wird allerdings durch Tröpfchen ausbalanciert, denn die vorlaute Fee mit dem Laternen-Piercing und dem walisischen Akzent dient Oliver nicht nur als treuer Begleiter und Mentor, sondern dem Spieler als ein humorvoller Erzähler. Schritt für Schritt erklärt er euch die Welt von Ni No Kuni, ihre Bräuche, Wunder und Gefahren. Er steht euch und Oliver zur Seite und dient als Ratgeber in beiden Welten.

Test zu Ni No Kuni: Der Fluch der weißen Königin (2)

Denn ihr seid nicht nur in Ni No Kuni unterwegs, sondern auch in Olivers Heimat, dem amerikanischen Städtchen Motorville, in dem noch immer die 1950er zu herrschen scheinen. Beide Welten sind miteinander verknüpft und Ereignisse an einem Ort beeinflussen den anderen. Seid ihr beispielsweise auf der Suche nach einem verschwundenen Katzenkönig in Ni No Kuni, so müsst ihr lediglich seinen Seelenverwandten in Motorville finden und ihr bekommt einen Hinweis darauf, wo sich die Miaujestät verbirgt. Das bringt nicht nur weitere Abwechslung ins Spiel, sondern dient auch als Motivation für Oliver, der die Chance sieht, seine Mutter retten zu können, wenn er denn nur auf ihre Seelenverwandte trifft.

Verlust ist eines der grundlegenden Themen, die Ni No Kuni behandelt und immer wieder ins Spiel bringt. Nicht nur Oliver leidet daran, sondern auch viele Personen, denen ihr in der zauberhaften Welt begegnet. Ihnen fehlen bestimmte Emotionen, wie beispielsweise Enthusiasmus, was sie in Lethargie versetzt. Es liegt nun an Oliver, eine Person zu suchen, die den fehlenden Antrieb im Übermaß besitzt. Mit einem kleinen Zauber, der pro Charakter nur einmal anzuwenden ist, borgt er sich dann etwas davon und verhilft dem Leidenden zur Besserung.

Aufgaben wie diese gehören zu den vielen unterschiedlichen Haupt- und Nebenquests, mit denen ihr euch die Zeit vertreiben könnt und solltet. Natürlich gibt es auch noch die typischen Fetchquests und Töte-dieses-Monster-für-mich-Quests. Belohnungen für erfüllte Aufgaben gibt es viele, die interessanteste dürfte aber wohl ein Stempel für die Stempelkarten sein, denn die können, sobald sie gefüllt sind, in Perks eingetauscht werden, die das weitere Spielgeschehen beeinflussen und euch das Leben erleichtern. Das gibt euch ein Gefühl der Befriedigung, das sich mit Gold nicht kaufen lässt.

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Eines der großen Probleme von Ni No Kuni ist die Geschwindigkeit, denn es kommt schnell das Gefühl auf, dass alles etwas länger braucht, als es der Fall sein müsste. Schon bis ihr Zugriff auf euer komplettes Inventar, das Zauberbuch, die Karte und weitere grundlegende Funktionen habt, dauert es oft mehrere Stunden und auch die Handlung verläuft stellenweise eher schleppend. Wichtige Fähigkeiten eurer Vertrauten tauchen erst auf, wenn ihr euch im zweistelligen Spielstundenbereich befindet, was gerade dann frustrierend ist, wenn es um Bosskämpfe geht.

Während ihr Ni No Kuni erkundet, werdet ihr häufig in Kämpfe verstrickt, da euch die vielen kleinen und großen Wesen der Welt nur zu gerne ans Leder wollen. Schon am Anfang ist es schwierig, von einem Ort zum anderen zu gelangen, ohne nicht von einer Kreatur mit bizarren Namen angefallen zu werden. Freunde des Grinding werden jedenfalls voll auf ihre Kosten kommen. Das Resultat sind ein wenig an Pokémon erinnernde Auseinandersetzungen, die ihr entweder mit Oliver, einem seiner Gefährten oder mit den Vertrauten, die er nach und nach sammelt und trainiert, bestreiten könnt.

Kämpfe finden zwar in Echtzeit statt, dennoch pausieren sie kurz, wenn ihr währenddessen euren Kämpfer wechseln wollt. Das hilft euch dabei taktisch vorzugehen, da jede Figur Stärken und Schwächen hat, die ausbalanciert werden wollen. Einer der großen Nachteile des Kampfsystems ist der Timer. Jede Aktion, die ihr auswählt, kommt mit einer Zeitangabe, die anzeigt, wie lange ihre Durchführung benötigt. Das richtige Timing ist hier kritisch, denn gerade Verteidigungsaktionen neigen dazu, genau dann zu enden, wenn ihr sie eigentlich bräuchtet und der Cooldown verhindert, dass ihr sie sofort wieder anwenden könnt, um eure Haut zu retten. Es hilft auch nicht, dass die KI alles andere als intelligent ist und euch beizeiten das Leben noch etwas schwerer macht. Sie neigen dazu, im Kampf auftauchende Belohnungen, die Gesundheit und Mana wieder herstellen, zu stehlen und an den falschen Stellen die falschen Attacken auszuführen.

Obwohl es schön ist, dass das Kampfsystem etwas taktischer ist und auf Buttonmashing verzichtet, kann es ab und an sehr nervenaufreibend werden. Besonders, wenn ihr euch in Dungeons befindet, in denen ihr nur an bestimmten Punkten speichern könnt, ihr sterbt und so bestimmte Kämpfe wieder und wieder durchführen oder wenn ihr euch dieselbe Animation zum fünfzigsten Mal ansehen müsst.

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Die Animationen an sich sind allerdings exzellent. Studio Ghibli hat hier ganze Arbeit geleistet und ein wahres grafisches Prachtstück geliefert. Selten ließ sich auf der PS3 eine Welt finden, die so wunderschön und einnehmend ist wie die von Ni No Kuni. Das ist nicht nur auf die atemraubende, liebevoll gezeichnete Grafik bezogen, die sicherlich mehr als einmal die Frage aufwerfen dürfte, ob wir denn wirklich eine neue Konsolengeneration brauchen, wenn die jetzige zu so etwas im Stande ist. Vielmehr ist es die Liebe, die in die Details der fremden Welt geflossen sind, die zum Entdecken und Erkunden einlädt. Sie ist vielfältig und abwechslungsreich, sowohl in ihrer Optik als auch in ihrer Klangkulisse, die wir Joe Hisaishi und dem Tokyo Philharmonic Orchestra zu verdanken haben. Und obwohl Ni No Kuni nur mit einer englischen und japanischen Vertonung daherkommt und lediglich mit deutschen Untertiteln bedacht wurde, funktionieren die vielen Wortwitze, die in das Spiel eingebracht wurden, trotz der Übersetzung herrlich. Auch die Synchronsprecher wurden ausgezeichnet gewählt, was dabei hilft, den Figuren trotz Charakterschwächen etwas mehr Leben einzuhauchen.

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Schlussgedanken

Ni No Kuni leidet an Kinderkrankheiten, die dem Spiel letztlich die Großartigkeit nehmen, die eine Kollaboration von Level-5 und Studio Ghibli hätte haben können. Dennoch vergeht die Zeit beim Spielen wie im Flug. Es ist nur zu leicht, in der wunderschönen, ungewöhnlichen Welt von Ni No Kuni abzutauchen, und wenn man wieder an die Oberfläche zurückkehrt, um etwas Realitätsluft zu schnappen, ist der Tag schon vorbei und man kann nicht einmal sagen, wie das passieren konnte.

Ni No Kuni ist nicht perfekt. Bringt man aber die Geduld auf, die das Spiel von einem verlangt, dann darf man sich über viele Stunden hinweg auf eine magische Reise in einer bezaubernden Welt begeben, die zu den schönsten gehört, die je ihren Weg auf die PlayStation gefunden haben. Die Schwächen, die das Spiel hat, werden nicht für jeden so gravierend ins Gewicht fallen, wie sie es für mich getan haben. Dennoch lässt sich ohne Zweifel sagen, dass Ni No Kuni auch mit ihnen zu den besten JRPGs gehört, die seit Langem auf den Markt gekommen sind.

IGN-Wertung für Ni No Kuni: Der Fluch der weißen Königin

WertungBegründung
von 10Was unsere Wertungen bedeuten

8.5

Super

Gesamtwertung

(von 10)

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